Ihr Lieben,
lang, lang ist es her, dass ich von uns hören lassen habe, ich wünsche Euch einen guten Start ins neue Jahr. Die letzten Jahre waren sehr turbulent, leider im negativen Sinne. Und akutell macht mir meine Kleine große Sorgen. Füge dagegen ist gut drauf, immer noch so bekloppt wie früher
. Gesundheitlich ist sie okay, sie hat nur altersbedingt eine minimale Mitralklappeninsuffizienz und ist seit Monaten wie eine läufige Hündin - ja, ihr lest richtig, sie ist geschwollen, hat milchigen Ausfluss, mehrere TK´s waren erstaunt, es wurde alles untersucht, was man untersuchen kann, und der Grund wird wohl die Hypophyse sein. Die Knochen scheinen ihr keine Probleme zu machen, sie läuft manchmal abenteuerlich, aber sie ist auch echt hart im Nehmen und Physio & Osteo machen einen guten Job.
Für ein Buchprojekt habe ich einen Bericht über Füge geschrieben, den ich Euch nicht vorenthalten möchte. Da ich mich mit Zeichen & Wörtern vertan hatte
, habe ich viel mehr geschrieben als in dem Buch erscheinen wird. Für Euch aber die lange Version
Füge & Ihr Weg ins Leben
Im März 2007 übernahm ich Füge, eine ca. 1-jährigeDrahthaar-Vizsla-Hündin, aus einer Pflegestelle in Ungarn; davor war sie in einer Tötungsstation.
Bei Abholung kam ein Hund aus dem Auto, der sofort bei Sichtung von Hunden, Pferden & Co. hysterisch bellte. Natürlich hatte ich einen Plan, was wir wie machen wollen, nicht am 1. Tag, aber so generell. Dieser hat nicht lange überlebt, ich musste alles verwerfen & neu überdenken, denn schnell stellte sich heraus, dass es einige Baustellen gab: Hunde, Menschen, Wild (Sicht & Geruch; generell ein starkes Orientierungsverhalten über Augen & Nase), Autofahren , Pferde, Kühe & Co. Sie war sehr schnell sehr stark erregt, bellte viel und sprang in die Leine.
Sie mochte nicht angefasst und schon gar nicht eingeschränkt werden. Ihre Erfahrungen mit Menschen & Training waren wohl eher aversiver Natur, hinzu kamen noch körperliche Baustellen wie Umweltallergien, Unverträglichkeiten, Probleme mit dem Bewegungsapparat, 2 Luftgewehrkugeln im Körper, um nur das wichtigste zu nennen.
Ihr Jagdverhalten war so ausgeprägt, dass sie nicht nur auf Geruch & Sicht (Vögeln, Enten, Gänsen, Hasen, Kaninchen, Rehe, Schwarzwild, Fuchs, Marder & Co.) loslegte, sondern auch ein ausgeprägtes Orientierungsverhalten über Augen & Nase zeigte, sobald sie aus dem Haus kam.
Ich wohne sehr ländlich, das Wild kommt bis fast ans Haus, Katzen sind auch ausreichend vorhanden. Dieses Umfeld war für das anfängliche Training nicht optimal, aber Umziehen für mich keine Option. Füge konnte zu Beginn draußen kein Futter (egal wie angeboten, auch nichts besonders wie Pansen o.ä.) annehmen , Spielis in jeglicher Art waren vollkommen uninteressant und sozialer Kontakt war ihr unangenehm. Wie sollte man nur so einen Hund für erwünschtes Verhalten verstärken?
So begann ich erst mal alle Verhaltensweisen aufzuschreiben, die Füge gerne & oft zeigt, in der Hoffnung, daraus Belohnungsmöglichkeiten zu finden. Zusätzlich fing ich im Haus an ein Markerwort zu etablieren; hier nutzte ich viel Belohnungen, die von mir kamen – Futter in jeglicher Art, geworfen, gerollt, versteckt, aus der Hand und verschiedene Spielis. Dann kamen kleinere Übungen hinzu. Da Ihr Erregungsniveau auch häufig zu hoch war, machte ich mich auch an die Entspannungstechniken. Zum Entspannen anfassen war aber so zu Beginn nicht möglich, so dass ich ein Entspannungswort nur etablieren konnte, wenn sie von sich aus entspannt im Haus herumlag.
Auch den Entspannungsduft baute ich nach diesem Schema auf.
Die Spaziergänge draußen wurden auf das nötigste verkürzt und auch oft in Gegenden verlegt, wo Auslösereize jeglicher Art eher unwahrscheinlich waren (Aldiparkplätze). An diesen Plätzen habe ich auch zuerst die Übungen aus dem Haus übertragen. Der andere Bereich des Trainings beinhaltete die Benennung der Umweltbelohnungen wie z.B. gucken & schnüffeln und den Aufbau weiterer Verhaltensweisen, die ich später als Belohnung nutzen wollte, z.B. Lauerspiel. Dieses Training nahm eine Menge Zeit & Ressourcen ein, so dass für andere Dinge wie Training bestimmter Signale oder Sport einfach nichts mehr übrig blieb. Und trotzdem gab es ja hin & wieder immer mal die Situation, wo Auslösereize auftraten und nichts machen & ignorieren war hier keine Option – Füge tobte bellend an der Leine und Signale funktionierten ja noch nicht. Hier nutzte ich das Zeigen & Benennen im 1. Schritt.
In der Anfangszeit beschränkte ich mich also auf Markerwort/Clicker, Belohnungsaufbau, Zeigen & Benennen, verstärken von freiwilligen Blickkontakt und viel Ruhe, dabei etablieren von Entspannungssignal & -duft.
Zusätzlich schaute ich, dass sie sich richtig bewegen konnte. Als Füge Belohnungen dann besser annehmen konnte, begann ich mit Signalen für den Rückruf und besonders dem Barriere clicken. Das Barriere clicken ermöglichte mir besonders bei Füge, dass sie nicht mehr so schnell in ihren Stöbermodus kam und so auch nicht so häufig auf Wildtiere stieß. Zusätzlich stand sie durch dieses Training auch immer häufiger. Nachdem sie dies an vielen verschiedenen Bewüchsen zeigte und somit ja auch häufig an Geruch von Wildtieren, nutzte ich das Zeigen & Benennen auch an nicht so interessantem Wild, welches ruhig saß. Nach & nach bin ich an die spannenderen Tiere mit mehr Bewegung gegangen. In dieser Zeit versuchte ich mich auch in verschiedenen Sportarten wie Dummy, Agility, Spurensuche. Hier war sehr auffällig, dass wenn ich es mal übertrieben habe oder auch einfach nicht erkannt habe, dass Füge überfordert ist, also ich nicht kleinschrittig genug gearbeitet habe, ihr Jagdverhalten wieder heftiger & besonders schneller wieder aufgetreten ist. „Jagen“ war also nicht nur Spaß, sondern auch Übersprungverhalten bei Stress und Frustration.
Und hier spielte die Leine eine große Rolle; je kürzer oder je häufiger sie durch die Leine gebremst wurde, desto größer war ihr Frust. So machten wir auch einen großen Fortschritt, als wir begannen die Schleppleine auszuschleichen. Ein langer Weg, aber so konnte sie dann auf vielen Gassistrecken teilweise frei laufen; jede Gassistrecke wurde erarbeitet; ich teilte die Strecken in unterschiedliche Abschnitte ein: Abschnitte, wo die Hauptbelohnungen stattfanden, Abschnitte, wo wir uns entspannt haben und Abschnitte, wo wir nur so rumgeschlendert sind. Auch sind wir zu Anfang nie eine „Runde“ gelaufen, d.h. wir sind ein Stück gegangen und wenn ich gemerkt habe, dass Signale nicht mehr so gut funktionieren und das Erregungsniveau nicht mehr durch unsere Techniken gesenkt werden konnte, bin ich den gleichen Weg wieder zurück; dabei konnte ich feststellen, dass sie dann meistens wieder denken konnte. Ab & zu bin ich dann wieder in die andere Richtung soweit es ging und dann eben wieder zurück. So wurden die Runden immer runder
und der Freilauf immer mehr und ich konnte sie dann auch immer mehr in fremden Umgebungen laufen lassen.
Dieses Verhalten verschlechterte sich nach Einzug von Nelly ( ca. 20 Wochen alte Drahthaar-Vizsla-Hündin) nochmal stark – zu zweit jagen macht halt doppelt so viel Spaß
. So musste ich wieder einige Schritte zurück und diese festigen; ein wichtiger Punkt war hier das Stehenbleiben clicken, wenn Nelly los rennt. Rannten nämlich beide, war es schwierig Füge zu stoppen, Nelly kam auf Rückruf brav zurück.
Heute kann Füge in vielen Gebieten Freilauf genießen, nicht immer & überall, auch je nachdem welcher Hund ansonsten noch dabei ist, kann bestimmtes Wild beobachten, vieles wie Vögel, Enten, Gänse interessiert sie nicht mehr so stark und hetzen kommt nicht mehr häufig vor. Und wenn doch, ist sie mittlerweile gut ansprechbar. Ihre Belohnungen & auch ihre Jagdsequenz haben sich stark verändert; Futter geht in irgendeiner Form irgendwie fast immer. Der Weg war lang und es gibt auch immer mal wieder Rückschritte, dafür dass ich aber gedacht habe, dass dieser Hund nie von der Schleppleine kommt, sind wir weit gekommen und ich bin sehr zufrieden
.
Ein Tierschutzhund mit ausgeprägten Jagdverhalten ist eine Herausforderung, die viel Zeit, Arbeit & Interesse erfordert, das sollte man sich bewusst sein, wenn man sich für so etwas entscheidet. Für mich war es die beste Entscheidung, diesen Hund in mein Leben zu lassen
!
Ich hoffe, Euch gefällt der Artikel über Füge! Leider kann ich gerade keine Fotos einstellen, aber vielleicht kann einer von Euch mir dabei behilflich sein - ich würde Euch dann ein paar Fotos schicken.
Ganz liebe Grüße
Nicole mit Füge & Nelly