Heute ist es auf den Tag genau 4 Jahre her, dass unser Vilas uns verlassen hat. Er hat sich in unseren Herzen so fest verankert, dass sein Verlust nach wie vor spürbar ist. Wir denken jeden Tag an ihn, aber inzwischen gewinnen die schönen Erinnerungen tatsächlich die Oberhand über den Schmerz.
Es gibt eine kleine Anekdote, an die ich mich besonders gern erinnere und die ich anläßlich unseres heutigen Tages einmal kurz erzählen möchte.
Die Geschichte passierte während unserer letzten gemeinsamen Reise nach Cornwall. Vilas und ich gingen jeden Abend den Küstenpfad entlang bei wunderschönem Sommerwetter. In der Runde laufen ging auf diesem Pfad nicht, wir konnten nur ein gutes Stück hin und dann wieder zurück gehen, sonst wäre für Vilas der Weg bei seinem Krankheitsbild zu anstrengend gewesen.
Der Weg führte über eine weitläufige Pferdeweide ohne Zaun. Den ganzen Tag grasten die Tiere in großer Entfernung zum Küstenpfad, und abends gingen sie dann irgendwo in den Stall. An diesem Abend war es genauso. Die Pferde grasten, und wir konnten ganz entspannt auf unserem Weg entlang der cornischen Küste laufen. Auf dem Rückweg dann geschah es: Plötzlich stand in unmittelbarer Nähe hinter einer Kurve eines dieser für mich riesigen Pferde mitten auf unserem Weg und sah direkt in unsere Richtung, sehr interessiert. Ich habe einen Heidenrespekt vor diesen Tieren, und ohne sicheren Zaun zwischen ihnen und mir bekomme ich fast so etwas wie Panik. Was konnten wir tun? Mein Vilas sah mich ganz erwartungsvoll an.
Nach ein paar Momenten des Abwartens fiel mir plötzlich, ich weiß nicht warum, eine Filmszene aus "Jenseits von Afrika" ein. Ich meine die Szene, in der Robert Redford und Meryl Streep mit einem klapprigen Auto eine Fotosafari machen und der Motor in der offenen Steppe seinen Geist aufgibt, umgeben von einer großen Herde neugieriger Wasserbüffel (oder ähnlichem Getier), die jeden Moment losrennen konnte. Die Situation war nicht ganz ungefährlich, und meine Lage auf dem Küstenpfad in Cornwall fühlte sich irgendwie für mich ganz ähnlich an. Was aber macht Robert Redford nun in dieser Szene? Er überlegt einen Moment, breitet seine Arme seitlich aus und ruft einmal laut und bestimmt in Richtung Wasserbüffel "SCHUUUH" . Sofort flüchtete die Herde in alle Himmelsrichtungen, und die Gefahr war gebannt.
Diese Szene kam mir in den Sinn, und weil mir nichts besseres einfiel, das cornische Riesenpferd mich immer noch direkt ansah und niemand in der Nähe war, der mich auslachen konnte (ich hab das vorher genau geprüft), wollte ich es auch wie Robert Redford versuchen.
Ich brachte also meinen Vilas am Wegesrand in einer kleinen Nische im Gebüsch ins "Sitz", wandte mich mutig wieder dem Pferd zu, breitete meine Arme seitlich aus und rief in dessen Richtung "SCHUUH". Völlig relaxed und unbeeindruckt setzte sich das Tier darauf langsam in Bewegung, kreuzte den Wanderpfad und verschwand dann unspektakulär im Dickicht, wo ein anderes Pferd bereits wartete, das ich gar nicht bemerkt hatte.
Vilas hatte von seinem Platz alles genauestens beobachtet. Für ihn war klar, dass ICH mit meinem "SCHUUH" das Pferd vertrieben hatte. Vilas´ Blick werde ich nie vergessen. Den ganzen Rückweg lang konnte er vor lauter Bewunderung seine Augen nicht von mir abwenden. Ich war in dieser Situation seiner Ansicht nach zum Helden geworden, denn ICH hatte uns gerettet, ganz klar!
Ich bin sicher, das Pferd hätte sich auch ohne meine "Einwirkung" auf den Weg gemacht, aber für Vilas sah das eben anders aus. Ein bisschen hab ich mich auch trotz aller Freude über den glücklichen Ausgang dieser Begegnung geschämt für Vilas´Fehleinschätzung, denn wahres Heldentum braucht viel mehr als das, was ich an Mut gezeigt hatte.
Dennoch ist dies eine schöne Erinnerung, die mir niemand mehr nehmen kann und für die ich sehr dankbar bin.
Ich wünsche jedem, der einen unsicheren oder ängstlichen Hund bei sich aufnimmt, dass das Leben viele solcher Gelegenheiten für ihn bereit hält, um seinem Hund zeigen zu können, dass er sich in allen Lebenslagen auf seinen Menschen verlassen kann. Wir hatten das Glück, einige Erlebnisse gemeinsam meistern zu dürfen, Situationen, in denen wir uns gegenseitig beweisen konnten, dass wir immer füreinander da sein würden. Das war glaube ich unser Erfolgsrezept für unsere einzigartige Freundschaft.
Vilas wird immer ein Teil von uns bleiben.
Liebe Grüße,
Christina